AWARENESS LEITFADEN ZU KONTAKT & GRENZEN FÜR BIODANZA VERANSTALTUNGEN

Was ist Awareness?
Awareness kommt aus dem Englischen. Gemeint ist damit „Bewusstheit“ oder „Gewahrsein“ oder auch „Aufmerksamkeit“. Diese Begriffe helfen im vorliegenden Leitfaden, die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein auf den vielschichtigen Bereich von Kontakt zu bringen. In diesem Kontext geht es darum, ein waches Bewusstsein über Verbindung und Grenzen, die jedem Kontakt innewohnen, zu entwickeln.

Kontakt ist ein Herzstück in Biodanza.

  1. Kontakt zu sich selbst
    Der Tanz bringt Dich in einen unmittelbaren Kontakt mit Dir selbst.
    Du nimmst mehrdimensional wahr, wie es Dir gerade geht.
  2. Kontakt & Zwischenmenschlichkeit
    Kontakt ist ein tiefes, menschliches Bedürfnis. Nach Gesprächen, menschlicher Nähe, Zugehörigkeit, Beziehung, Berührung, Zärtlichkeit, Sinnlichkeit, Sexualität.
  3. Wahrnehmung
    In Biodanza üben wir, diese Bedürfnisse wahrzunehmen, auszudrücken und genauso auch die „Antwort“ des Gegenübers wahrzunehmen. So kann ein möglicher Kontakt mit großer Achtsamkeit und Respekt gestaltet werden.
  4. Kommunikation
    Die Gestaltung von Kontakt braucht die Bereitschaft für eine geschulte und feine Wahrnehmung sowie von gelernter und geübter Kommunikation.
    Diese ist im Tanz nonverbal. Sei offen und neugierig für jede Art von Kommunikation.
    Es gehört auch dazu, Ja und Nein auszudrücken und anzunehmen.
    In Biodanza lernen wir dies, sowie auch die vielen Nuancen des Feedbacks.
  5. Respekt.
    Respektiere die Menschen, mit denen Du in Kontakt kommst. Urteile und verurteile nicht. Sei offen und achtsam. Jeder Mensch ist eine Welt und trägt eine ganze Welt in sich. Respektvolle Begegnung kann Dir Welten eröffnen.
  6. Kontakt & Grenzen
    Grenzen sind subjektiv. Manchmal sind sie schwer wahrnehmbar und noch schwerer auszudrücken.
    Wir können die Grenzen von anderen Menschen nicht kennen. Daher ist es notwendig, diese mit Achtsamkeit zu erkunden und zu klären.
    Grenzen sind fließend und oft nicht sofort spürbar. Sei achtsam mit Deinen Grenzen und sei Dir darüber im Klaren, dass jeder Kontakt ein Kontakt an der Grenze ist.
    Er kann abgrenzend sein: „Da bist Du und hier bin ich“. Oder auch verbindend: „Auflösung von Du und ich“. Und dazwischen gibt es jede Menge feiner Nuancen.
    An Grenzen können wunderschöne Verbindungen, aber eben auch Grenzübertritte und Grenzverletzungen entstehen.
    Diese Verletzungen können einschneidend und belastend wirken.
    Betroffene fühlen sich damit oft allein. Wir stehen an der Seite der Betroffenen.
    Wenn Du eine Grenzverletzung erlebst, nehmen wir das ernst und suchen mit Dir zusammen die Form der Unterstützung, die Du in diesem Moment brauchst.
    Wir suchen einen guten Weg, die Situation mit allen Betroffenen gemeinsam zu klären.
  7. Ein Nein respektieren
    Wenn Du einem Nein begegnest, respektiere es. Ein Nein Deines Gegenübers kann viele verschiedene Gründe haben. Wenn es die Erlaubnis und den Raum für ein „Nein“ gibt, dann kann ein „Ja“ auch ein „echtes Ja“ sein, dem du vertrauen kannst.
  8. Kontakt zwischen erfahrenen und unerfahrenen Biodanza Tänzer*innen
    Wer zum ersten Mal Biodanza tanzt, erlebt eine Fülle von intensiven Eindrücken. Dies kann oft schon im ersten Anfangskreis überwältigend sein.
    Hier ist eine besondere Behutsamkeit seitens der erfahrenden Biodanza Tänzeri*innen gefragt, den unerfahrenen Tänzerinnen und Tänzern besonders achtsam und sensibel zu begegnen und offen zu sein für eine sehr langsame und vorsichtige Annäherung.
  9. Altersunterschiede
    Jeder Mensch braucht Schutzräume. Diese können besonders fragil sein, wenn es zwischen Teilnehmenden große Altersunterschiede gibt. Junge Teilnehmende sollen sich ausprobieren können und ihren eigenen Weg finden, dem sie folgen wollen. In dieser zarten Suche der Begehrlichkeit von älteren Menschen ausgesetzt zu sein, kann unangenehm sein und die jungen Erwachsenen aus ihrer Spur bringen. Hier ist besonderer Respekt und Achtsamkeit der Älteren gefordert.
  10. Rollen & Rollenunterschiede
    Es gibt einen natürlichen Rollenunterschied zwischen Lehrenden, Leitenden und Teilnehmenden. Hier braucht es eine besondere Aufmerksamkeit von beiden Seiten.
    Asymmetrische Beziehungen sind besonders anfällig für Grenzüberschreitungen und dadurch stattfindende Verletzungen vielfältiger Art.
    Besonders im Hinblick auf die Offenheit und Verletzlichkeit, die durch die unterschiedlichen psychischen und seelischen Prozesse der Teilnehmenden ausgelöst wird.
    Hier ist ein besonderer Schutzraum seitens der Leitung erforderlich, d.h. dass die Leitenden besonders achtsam mit den Grenzen der Teilnehmenden umzugehen haben. Kommt es zu einem Grenzkonflikt zwischen Teilnehmenden und Leitung, unterstützen wir die Möglichkeit einer neutralen Mediationsstelle oder einer Supervision von außen.
  11. Unterstützung
    Für Situationen, die starke Gefühle in dir hervorrufen und Du Unterstützung und / oder Schutz brauchst, wende Dich an die Assistenz, Leitungsperson oder eine neutrale Ansprechstelle /Vertrauensperson.

Quellen: Kollektiv B-Aware, ZEGG: Orientierung und Hinweise zur Awareness, AEBE: Maßnahmenkonzept zur Prävention und Bekämpfung von sexuellem Missbrauch, Ethik-Leitfaden Biodanza mitte.